Fünf Frauen sitzen vor den Stuhlreihen, auf denen eine sehr aufmerksames Publikum ihnen zuhört. Ein rein weibliches Podium ist es, das hier Annedore Leber an ihrem 120. Geburtstag würdigt. Es ist die erste Veranstaltung in der Reihe Leben für die Demokratie – Annedore und Julius Leber zu der der Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber in den neuen PallasT eingeladen hat. Hier spielen sonst Kinder oder Jugendliche in den Räumen des Stadtteilvereins Schöneberg.
Bei ihrer Begrüßung erinnert Martina Fiebelkorn, Vorsitzende des Vereins, an die lange Zeit, die sich der Arbeitskreis schon für den Umbau der alten Kohlenhandlung von Annedore und Julius Leber einsetzt. Sie dankt den Förderern, die dabei finanziell helfen und betont, dass es weitere Menschen braucht, die das Projekt unterstützen.
Dann eröffnet Frauke Geyken, Historikerin und Publizistin aus Göttingen, den inhaltlichen Teil des Abends. Für sie ist Annedore Leber nicht nur die Frau des Widerstandskämpfers Julius Leber sondern selbst Widerstandskämpferin. Nach dem Krieg wurde sie zur Nachlassverwalterin des Widerstands. Sie wollte nicht, dass die Menschen im Widerstand umsonst gestorben sind. Für sie war die gemeinsame Entscheidung des Ehepaar Leber sich gegen den Nationalsozialismus einzusetzen, der Auftrag das gemeinsam Begonnene nach dem Krieg weiter zu führen.
Moderiert wird dieser Abend von Shelly Kupferberg. Sie ist Journalistin und Moderatorin. 2022 erschien ihr Buch Isidor. Ein jüdisches Leben, in dem sie über ihren Urgroßonkel, der in Wien lebte, schreibt.
Judith Brunner hat sich als Künstlerin mit dem Wirken von Annedore Leber auseinandergesetzt. Sie erinnert an die große Wirkung von Annedore Lebers Rede zur Berlin-Blockade 1948. Die Rede wurde zusammen mit den Reden von Ella Barowsky und Lucia Krüger veröffentlicht unter dem Titel An das Gewissen der Welt. Berliner Frauen appellieren an die Menschlichkeit.
Margrit Zauner ist Vorstandsvorsitzende im Trägerverein des Annedore-Leber-Berufsbildungswerks. Ein Vorläufer davon war der 1952 auf Initiative von Annedore Leber gegründete Verein für Handwerkliche Lehrstätten in Berlin-Britz. Sie weist auf Annedore Lebers Aussage hin, dass junge Menschen eine Perspektive brauchen. Und dazu gehört eine abgeschlossene Berufsausbildung, was Angesichts fehlender Ausbildungsplätze Anfang der 1950er Jahre schwierig war.
Als Verlegerin hat Annedore Leber nicht nur wichtige und auflagenstarke Bücher über den Widerstand herausgegeben. Dörte Döhl erinnert auch an ihr Buch über jüdisches Leben in Deutschland Doch das Zeugnis lebt fort. Zwanzig Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus wollte sie die vergessenen aber wichtigen Beiträge jüdischer Menschen in vielen Lebensbereichen anerkannt und gewürdigt sehen.
Shelly Kupferberg öffnete am Ende die Diskussion für das Publikum. Auf die Frage einer Teilnehmerin, ob die SPD in Berlin sich für den Lern- und Gedenkort einsetzt, wies die frühere SPD-Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler auf ihre ausdauernde Unterstützung für die Pläne des Arbeitskreises hin.
Die besondere Lebensgeschichte von Annedore Leber, ihre aktive Mitarbeit am Aufbau eines demokratischen Staates, ihr Einsatz besonders für Frauen und Jugendliche, ihre Ansichten zu Eigenverantwortung und zur Demokratie, die man sich erarbeiten muss: Das alles waren Themen, die an diesem Abend angesprochen wurden und mit denen das Bild dieser bemerkenswerten Frau etwas klarer wurde.
Gemeinsam bei einem kleinen Snack und Getränken, die vom Team des Stadtteilvereins angeboten wurden, gingen die Gespräche im kleinen Kreis weiter.
Vertrauen ist das Element der Demokratie. Vertrauen kann sich aber nur da bilden, wo das Wort etwas gilt und wo die Tat dem Wort folgt, wo ein Vertrag lebendige Substanz ist und nicht nur ein Stück Papier …
Annedore Leber