Veranstaltung zum 75. Todestag von Julius Leber
Der goldene Saal im Rathaus Schöneberg war voll. So voll, dass erst mal viele weitere Stühle geholt werden mussten. Aber auch dann fanden nicht alle Besucher einen Sitzplatz. Mehr als 150 Menschen wollten dabei sein, als am 75. Todestag von Julius Leber an ihn erinnert und über ihn informiert wurde. Sicher kamen auch viele, die gespannt warteten auf Christian Berkel und seine Lesung aus Lebers Briefen.
Martina Fiebelkorn, Vorsitzende des Stadtteilvereins Schöneberg und Mitglied im Arbeitskreis Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber eröffnete die Veranstaltung. Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler begrüßte die Besucher. Gerade hatte sie noch dafür gesorgt, dass auch an einem Sonntag im Rathaus Schöneberg ganz unkompliziert zusätzliche Stühle geholt werden konnten. Als Schirmherrin hatte sie die Veranstaltung des Arbeitskreises im Goldenen Sall möglich gemacht. Sie würdigte Julius Leber aber auch die Arbeit des Arbeitskreises und wies auf die Möglichkeit hin, diese ehrenamtliche Arbeit zu fördern.
Die politischen Grundsätze von Julius Leber
Dr. Dorothea Beck ist die Autorin des Buches „Julius Leber – Sozialdemokrat zwischen Reform und Widerstand“, der wichtigsten Biografie zu Leber, die 1983 erschienen ist. Ihr Beitrag Julius Leber – seine politischen Grundsätze wurde von ihrem Ehemann Klaus Beck vorgetragen.
Detailliert ging es in dem Beitrag um die Vorstellungen und Überzeugungen Lebers in einzelnen Poltikfeldern. Diese sind unter Stichworten zusammengefasst, wie „Sozialismus und Nation“, „Staat, Macht, Wehrfrage“ oder „Demokratie, Masse, Führung“ oder auch „Politische Magie, Fahnen, Zeichen, Riten.
Julius Lebers Rolle im Widerstand
Dr. Heinrich-Wilhelm Wörmann ist Historiker und Vorsitzender der Historischen Kommission der SPD Berlin. Von ihm ist das Buch Widerstand in Schöneberg und Tempelhof von 2002 (vergriffen aber als Download bei der Gedenkstätte Deutscher Widerstand abrufbar).
Er sprach über Julius Lebers Rolle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Und er zeigte dabei mit welchem Mut und welcher Konsequenz Leber für seine Überzeugungen eintrat. Mit dem Wissen, dass das für ihn den Tod bedeuten konnte.
Lesung aus den letzten Briefen
Der Schauspieler und Autor Christian Berkel las aus den letzten Briefen von Julius Leber. Viele im Publikum hatten bereits auf ihn gewartet. In seinen Briefen aus der Haft im Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße konzentrierte sich Leber auf seine Familie und deren Zukunft. Er sprach seine Frau in seinen Briefen oft mit „Paulus“ an, da sie für ihn vom Saulus zum Paulus wurde, da sie als „höhere Tochter aus Lübeck“ die SPD wählte. In seinem vorletzten Brief an Heiligabend 1944 schrieb er trotz Todesurteil und Gestapohaft:
Mein geliebter Paulus! … Du schreibst von dem letzten Jahr, das du in unserem Leben als besonders schön und wunderbar in deiner Erinnerung empfindest, da unser Alleinsein uns so nahe zusammen führte.
Mein lieber Junge, wenn es auch sicherlich eines der schwersten unserer bewegten Ehe war, so war es in der Tat auch für mich das schönste. Selbst dieses letzte halbe Jahr steht in meinem Herzen nicht nur als eine Zeit schwerster Tragik, sondern auch als eine Zeit vieler Beglückungen.
Und in seinem letzten Brief vom 1. oder 2. Januar 1945:
Was kann ich dir und den Kindern Gutes wünschen für das begonnene Jahr? Was mag es euch bringen? Meine Gedanken gingen immer wieder weit über das Jahr 1945 hinaus und suchten einen zaghaften Blick in die weitere Zukunft zu tun. Was mag das Leben für dich und die Kinder bereithalten?