Widerstand im Nationalsozialismus
„Die Verschwörerbude“
Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime war keine einheitliche Erscheinung. Er äußerte sich vielfältig und reichte vom passiven Widerstand bis hin zu kämpferisch-konspirativen Aktivitäten. Träger waren Einzelpersonen, Gruppen von Jugendlichen und Studenten, Menschen aus zivilen Organisationen wie Parteien, Gewerkschaften und Kirchen oder Militärangehörige.
Julius Leber arbeitete im Netzwerk unterschiedlicher Gruppierungen. Der ehemalige sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete aus Lübeck war als politischer Gegner der Nationalsozialisten seit 1933 im Gefängnis und KZ. Nach seiner Entlassung 1937 ging er nach Berlin zu seiner Familie. Leber nahm dort vorsichtig wieder Kontakt zu Parteifreunden aus der SPD und zu Gewerkschaftern auf, mit denen er auch Möglichkeiten eines Umsturzes diskutierte.
Kreisauer Kreis und Stauffenberg
Ende 1943 intensivierte sich Lebers Widerstandsarbeit. Er arbeitete eng mit führenden Mitgliedern des Kreisauer Kreises zusammen, darunter Helmuth James Graf von Moltke und Peter Graf Yorck von Wartenburg. Der Gewerkschafter Wilhelm Leuschner führte ihn in die Gruppe um den National-konservativen Carl Friedrich Goerdeler ein. Bald lernte Leber auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg kennen, zu dem er eine enge persönliche Beziehung aufbaute. Über Stauffenberg wurde Leber in die Planungen des militärischen Widerstands eingebunden. Trotz unterschiedlicher Ziele und Weltanschauungen entstand ein breites Bündnis, das linke, bürgerliche und militärische Kreise zusammenführte, um den Sturz des Regimes zu planen.
Julius Leber war nach einem gelungenen Attentat auf Hitler als Innenminister einer neuen Regierung vorgesehen. Um dem Bündnis gegen das NS-Regime eine möglichst breite Basis zu verschaffen, nahm er Kontakt zu Kommunisten auf. Gemeinsam mit seinem Freund Adolf Reichwein traf er sich mit Franz Jacob und Anton Saefkow, Vertretern der illegalen KPD. Da sich unter den Gesprächspartnern auch ein Gestapo-Spitzel befand, wurden Leber und Reichwein verhaftet, noch bevor Stauffenberg am 20. Juli 1944 das Attentat auf Hitler ausführte. Julius Leber wurde vom Volksgerichtshof unter Vorsitz von Roland Freisler im Kammergericht am Kleistpark zum Tode verurteilt und am 5. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet.
Theodor Heuss erinnerte sich nach dem Krieg daran, wie das Bürohäuschen der Kohlenhandlung zum konspirativen Treffpunkt des Widerstandes wurde:
„Die zwei kleinen Zimmer in dem fragwürdigen Häuschen, nahe bei dem Bahnhof Schöneberg, zwischen den Kohlenbergen der Firma B. Meyer & Co. war eine rechte Verschwörerbude. Manchmal klingelte es an der äußeren Tür, und Leber musste dann wohl in den vorderen Raum, um einen Kunden zu vertrösten.
Aber in der Hinterstube, auf verhockten Sesseln, hatte die politische Leidenschaft ihre Herberge, verachtender Hass und brennende Liebe.“ 1
1. Brief Theodor Heuss vom 31.12.1949 an Annedore Leber im „Telegraf“ v. 5.1.1950, S. 3
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