Julius Lebers Kontakte im Widerstand
Im Verlauf des Jahres 1943 intensivierte sich die Zusammenarbeit von Widerstandsgruppen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft. Das Hinterzimmer der Kohlenhandlung „Bruno Meyer Nachfahren“ in der Torgauer Straße 24-25 wurde zum Treffpunkt für viele Persönlichkeiten des Widerstandes.
Der ehemalige sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete Julius Leber stand nach seiner Entlassung aus dem Konzentrationslager 1937 bald wieder im Kontakt mit engen Freunden, vor allem aus der SPD. Gustav Dahrendorf konnte Leber in der Kohlenhandlung in der Torgauer Straße eine Anstellung verschaffen. Ernst von Harnack, der frühere sozialdemokratische Regierungspräsident in Merseburg, gehörte wie der Sozialdemokrat Ludwig Schwamb ebenfalls zu den Freunden der Familie Leber. Schwamb brachte Leber mit Carlo Mierendorff und Wilhelm Leuschner zusammen. Sie alle gehörten zu einem breiten Kreis von früher führenden SPD- und Gewerkschaftsfunktionären, die einen lockeren aber jederzeit aktivierbaren Kontakt hielten.
In den Diskussionen der Gruppe ging es um Möglichkeiten, das NS-Regime zu stürzen und eine demokratische Regierung vorzubereiten.
1943 – Lebers Kontakte weiten sich aus
Im Laufe des Jahres 1943 vertiefte sich Lebers Verbindung zum Kreisauer Kreis. Die Widerstandsgruppe plante die staatliche und gesellschaftliche Neuordnung nach dem Ende des NS-Regimes. Zu den Mitgliedern mit Kontakten zu Leber gehörten Helmuth James von Moltke, Peter Yorck von Wartenburg, Adam von Trott zu Solz, Fritz-Dietlof von der Schulenburg sowie die Sozialdemokraten Mierendorff, Adolf Reichwein und Theodor Haubach. Mierendorffs Tod im Dezember 1943 war ein schwerer Schlag für die Gruppe. Leber rückte danach stärker ins Zentrum des Kreises.
Die nationalkonservativen Regimegegner um Ludwig Beck, früherer Generalstabschef, und um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler suchten Kontakt zu Vertretern der Arbeiterbewegung. Sie sahen einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung für einen erfolgreichen Umsturz als unerlässlich an. Über Leuschner trat diese Gruppe mit Leber im Herbst 1943 in Verbindung. Auch in die Planungen des
militärischen Widerstandes wurde Leber einbezogen, als ihn Schulenburg mit Claus Schenk von Stauffenberg bekannt machte. 1
Treffpunkte
Der enge Freundeskreis um Leber traf sich in seinem Haus im Eisvogelweg 71 in Zehlendorf. Yorck von Wartenburgs Haus in der Hortensienstr. 50 in Lichterfelde war ein Ort größerer Beratungen. Aber auch die Holzbaracke der Kohlenhandlung, in der Leber seit 1939 Teilhaber war, erwies sich als geeigneter Ort, für eine unauffällige Kontaktaufnahme.
So fanden sich linke, bürgerliche und militärische Kreise trotz unterschiedlicher Ziele und Weltanschauungen in einem breiten Bündnis zum Sturz der Nationalsozialisten zusammen. Schließlich stellte Leber Kontakt zu Kommunisten her und traf sich mit Franz Jacob und Anton Saefkow. 2
Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 wurden alle Beteiligten und ihre Familien verfolgt. Vor dem Volksgerichtshof, der im Kammergericht am Kleistpark tagte, fanden Schauprozesse statt, in denen über 110 Todesurteile gefällt wurden.
1. zur Vernetzung Lebers siehe: Dorothea Beck: Julius Leber. Sozialdemokrat zwischen Reform und Widerstand. Berlin: Siedler, 1983.
Hans-Rainer Sandvoß: Die heimliche Reichshauptstadt, Berlin 2007, S. 143,
Hans Mommsen: Der 20. Juli 1944 und die deutsche Arbeiterbewegung GDW, 1989.
Zur neueren Forschung mit Netzwerkanalyse: Linda von Keyserlingk-Rehbein: Nur eine „ganz kleine Clique“? Die NS-Ermittlungen über das Netzwerk vom 20. Juli 1944, Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand (Reihe A: Analysen und Darstellungen, 12), Lukas Verlag, 2. Aufl., Berlin 2019. Beispielhaft dargestellt bei der Stiftung 20. Juli 1944
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2. vgl. Johannes Tuchel: Kontakte zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten im Sommer 1944. In Dachauer Hefte 11 (1995) S. 78-101. Gemeinsam mit Adolf Reichwein traf sich Julius Leber mit den Kommunisten Anton Saefkow und Franz Jakob. Ein bei dem Treffen anwesender Gestapospitzel denunzierte die Beteiligten. Alle wurden verhaftet.
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