Das Kleid auf der Schneiderpuppe ist Ayana Neanders Werk. Und es gefällt ihr. „So sehr, dass ich es am liebsten behalten und nochmals abändern würde“, sagt sie. Ayana Neander ist gelernte Damenmaßschneiderin und zur Zeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes in der Berliner Geschichtswerkstatt tätig. Dort und beim Arbeitskreis „Lern- und Gedenkort Annedore und Julius Leber“ gab es schon längere Zeit Überlegungen, einmal eines der Kleider aus Annedore Lebers Zeitschrift Mosaik anzufertigen.
Von Oktober 1947 bis Juli 1949 gab Annedore Leber diese Frauenzeitschrift heraus. Darin fordert sie vor allem Frauen auf, sich politisch einzumischen und Deutschland wieder aufzubauen. Aber zu der Zeitschrift gehörten auch Schnittmuster, Strickanleitungen und Modeseiten. Der Arbeitskreis hat zwar Annedore Lebers politische und publizistische Arbeit oft hervor gehoben, aber bisher den Modeseiten wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Als Andreas Bräutigam, im Vorstand der Geschichtswerkstatt und Mitglied des Arbeitskreises hörte, dass Ayana Damenmaßschneiderin gelernt hatte, war das der Anfang des Projektes.
Ayana suchte sich unter den verfügbaren Schnittmustern ein Mantelkleid aus der Mosaik Septemberausgabe 1948 aus. Sie erzählt: „Mit der ersten Corona Welle entfiel die Möglichkeit, in Ruhe und mit Überblick, in einer großen Stoffauswahl zu stöbern und die geeigneten, evtl. der damaligen Zeit entsprechenden, Stoffe zu kaufen.“ Deshalb ließ sie sich die digital und telefonisch ausgewählten Materialien von einem Großhändler zusammenstellen. Dann ging es an das Anfertigen der Schnitte. „Hier musste ich mit Kreidepapier und einem Kopierrad den jeweiligen Linien folgen. Diese richtig zu erkennen war nicht einfach.“
Nicht nur durch die Stoffauswahl änderte sich das Erscheinungsbild des Hausmantels. „Ich habe die Verschlusstechnik geändert. Der Mantel wird jetzt nicht durch Druckknöpfe, sondern durch Haken und Öse, sowie eine darüber liegende, kleine Schnalle zu gehalten. Somit wurde dieser Haus-Mantel in mehrfacher Form eine ‚Neu-Interpretation‘.“
In dem Mantelkleid steckt jetzt sehr viel von mir drin und mit dieser „Gabe“, Frau Annedore Leber zu ehren fühlt sich richtig und gut an
Ayana Neander
Und für Ayana, die eine Zeit lang in der Leberstraße wohnte – ohne zu der Zeit etwas über Annedore und Julius Leber zu wissen – war das auch eine Annäherung an eine besondere Frau.
Am Samstag, 12. September, findet der Tag des offenen Denkmals auch wieder in der ehemaligen Kohlenhandlung in der Torgauer Straße statt mit Informationen zum Ort und seiner zukünftigen Gestaltung und Nutzung als Lern- und Gedenkort. Dabei werden auch die Schneiderpuppe mit dem fertigen Kleid und eine Ausstellungstafel mit Informationen zu Annedore Lebers Zeitschrift Mosaik zu sehen sein. Und Ayana Neander wird dabei sein und gerne Fragen zum Entstehungsprozess des Kleides beantworten.