Julius Lebers Weg in den Widerstand
Das Jahr 1933
Ende der 1920er Jahre greifen auch in Lübeck Nationalsozialisten und ihre SA-Trupps politische Gegner mit äußerster Brutalität an. Julius Leber schwört seine Partei auf aktive Gegenwehr ein.
1931 vereinigt sich angesichts der NS-Gefahr das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, dem Leber seit der Gründung angehört, mit dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund, der SPD und anderen Verbänden zur „Eisernen Front“. Damit entsteht eine schlagkräftige Organisation zum Schutz der parlamentarischen Demokratie. Leber ist ein leidenschaftlicher Redner bei ihren Kundgebungen.
Auch in seinen Artikeln im Lübecker Volksboten greift er die Nationalsozialisten scharf an: „Nieder mit dem Hakenkreuz! Verschärft den Kampf“.(1) Er wird zur Zielscheibe des Hasses der Nationalsozialisten: „Zwei Stunden nach unserem Sieg hängt Dr. Leber auf dem Marktplatz“, drohen sie (2). Leber lässt sich dadurch nicht beeindrucken: „Wenn es gilt, um die Freiheit zu kämpfen, fragt man nicht danach, was morgen kommt“, meint er vor Demonstranten (3).
Angriff auf Leber
In der Nacht nach der nationalsozialistischen Machtübernahme am 31. Januar 1933 gerät Leber, der mit den Reichsbannermännern Willi Rath und Heinrich Braasch auf dem Heimweg in Lübeck ist, mit NS-Angehörigen in Streit. Diese holen Hilfe in einer Kneipe und greifen Leber und seine Begleiter zu fünft an. Leber wird schwer im Gesicht verletzt. Willi Rath verletzt einen der Angreifer durch einen Messerstich tödlich. Rath und Leber kommen in Untersuchungshaft.
Die Lübecker Arbeiter sind empört. Sie reagieren mit spontanen Demonstrationen sowie einem einstündigen Generalstreik und fordern Lebers Freilassung. Als Leber am 16. Februar gegen Kaution aus der Haft entlassen wird, wartet eine Menschenmenge vor dem Gefängnistor auf ihn. Sein Weg aus dem Gefängnis wird zum Triumphzug.
Am 19. Februar findet eine Kundgebung der Eisernen Front auf dem Burgfeld in Lübeck statt. Leber kommt direkt aus dem Krankenhaus dazu. Mit verbundenem Auge tritt er vor mehr als 15.000 Menschen auf, kann aber auf Grund seiner Verletzung nicht sprechen. Nur „Freiheit“ ruft er den Versammelten zu. Es ist die letzte antinationalsozialistische Massenkundgebung (4).
Freunde raten Leber dringend zu Flucht ins Ausland, er lehnt das ab mit Verweis auf die Lübecker Arbeiter, die ihm vertrauen. In Lübeck ist das Leben der Familie Leber gefährdet. Die Kinder sind bereits bei ihren Großeltern untergebracht. Annedore Leber will nicht allein in Lübeck bleiben und begleitet ihren Mann nach Berlin zur Reichstagssitzung. Kurz nach ihrer Abreise dringen Nationalsozialisten in ihr Haus ein, da sie niemanden mehr vorfinden, töten sie die Haustiere.
Am Tag darauf, dem 23. März, wird Leber vor der Kroll-Oper in Berlin verhaftet. Damit verhindern die Nationalsozialisten seine Teilnahme an der Abstimmung des Reichtags über das Ermächtigungsgesetz. Wegen der Auseinandersetzung vom 31. Januar wird er in Lübeck zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt. Danach beginnt für ihn die Leidenszeit in den Konzentrationslagern Esterwegen und Sachsenhausen. 1937 kommt Leber frei und zieht nach Berlin, wo seine Familie inzwischen lebt. Während des Krieges steht er ab 1943 mit im Zentrum des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten.
Literaturhinweis:
Falls keine andere Quelle angegeben ist nach: Dorothea Beck: Julius Leber. Sozialdemokrat zwischen Reform und Widerstand. Berlin: Siedler, 1983. S. 122 ff.
1) Lübecker Volksbote, Titelseite vom 22.7.32
http://library.fes.de/luebeck/pdf/1932/1932-058.pdf
2) Lübecker Volksbote, Titelseite vom 9.3.32
http://library.fes.de/luebeck/pdf/1932/1932-170.pdf
3) Lübecker Volksbote vom 16.1.1933, 1. Beilage.
http://library.fes.de/luebeck/pdf/1933/1933-013.pdf
4) dazu: Lund, Heinz: Der Prozess gegen Dr. Julius Leber. Lübecksche Blätter, 3.3.1983, S. 69-72 und
Imberger, Elke: Widerstand von unten. Neumünster: Karl Wachholtz, 1991. S. 59-62